Weihnachten in der DDR

Weihnachten in der DDR – bei Andy zu Hause

Weihnachten und Silvester sind nun wieder mal vorbei. Erinnert man sich noch an Weihnachten in der DDR?

Anfang, Mitte der 70er Jahre verlief das bei uns so:
Weihnachten bedeutete für die Erwachsenen immer viel Arbeit. Das Schwein wurde schon im November geschlachtet, damit wir zu Weihnachten frische Wurst, Schinken und Speck hatten.

Als Besonderheit wurde Lachsschinken gemacht, welcher nur für die besonderen Anlässe rausgeholt wurde.

Stollen und Plätzchen wurden gebacken. Die Zutaten dafür wurden schon seit Wochen besorgt. Die Salzheringe für den Heringssalat mussten beschafft werden. Wenn der Konsum nur ein kleines Faß Heringe kriegte, bekam eben jede Familie nur zwei Heringe.

Auch der Weihnachtsbaum wurde im Konsum gekauft. Das machte mein Vati. Wenn er keinen schönen Baum bekam, kaufte er zwei hässliche und baute daraus zuhause mit Säge, Bohrmaschine und Taschenmesser einen schönen neuen Weihnachtsbaum.

Apfelsinen, Mandarinen, Schokolade, Katzenzungen, Weihnachtshohlkörper und den Schokoladenweihnachtsmann, Würstchen und Wiener versuchte meine Mutti auch in Delitzsch und Halle zu bekommen. Und für die Erwachsenen etwas Gutes zu trinken. Es sollte von allem genug da sein.

Gänse und Enten wurden geschlachtet. Am Sonnabend vor Heilig Abend gab es zu Mittag Schwarzsauer. Das schmeckte ganz fein. Dazu gab es das gekochte Entenklein.

Es wurde eine Mehlschwitze aus Butter und Mehl gemacht und die wurde mit der Entenbrühe dünn gerührt. Dann ließ Mutti das frische Entenblut hineinlaufen. Das wurde verquirlt, bis es wie Schokoladensoße aussah. Dann wurde alles mit Salz, Zucker und Essig kräftig abgeschmeckt. Dazu gab es selbstgemachte Kartoffelklöße von gekochten Kartoffeln. Das schmeckte so gut. Alle aßen bis kurz vorm platzen.

Am Morgen von Heilig Abend schnippelten Mutti, Oma und ich den Heringssalat. Vati musste meistens arbeiten. Sonst machte er auch mit. Für den Heringssalat brauchten wir Kartoffeln, Zwiebeln, saure Gurken und Äpfel aus dem Keller. Dazu die Rot- und Schwartenwurst vom eigenen Schwein. Nur die Heringe, Jagdwurst und die Kapern waren aus dem Konsum. Genauso wie der Mostrich und die Mayonnaise. Eventuell rundete ein Schluck Essig und etwas Salz alles ab. Da haben wir immer zwei Abwaschschüsseln voll geschnippelt.

Meistens konnte uns Onkel Hans die Salzheringe besorgen. Denn, die aus dem Konsum reichten selten. Und waren mal welche übrig, gab es Kartoffeln mit mariniertem Hering. Da aß ich am liebsten die Milch und den Rogen von den Heringen.

Wenn von der Jagdwurst mal was übrig war, briet meine Mutti eine dicke Scheibe für mich in der Pfanne. Zwischen zwei Scheiben trockenem Brot schmeckte das unheimlich gut.

Heilig Abend gab es zum Mittag Nudelsuppe. Dafür musste ein altes Huhn sein Leben lassen.

Kurz vor dem Kaffee kam Vati nach Hause. Zum Kaffee gab es Stolle und Plätzchen. Alles selbst gebacken.

Danach schmückte Vati den Weihnachtsbaum. Ich durfte ihm die Kugeln bringen. Zum Schluss steckte er feierlich die Spitze auf den Baum. Jetzt wurden die Kerzen für die Halter passend geschnitzt. Das machte Vati mit seinem Taschenmesser. Zum Schluss noch Lametta drauf und fertig war unser schöner Weihnachtsbaum.

Dann stellte Vati noch eine große Gießkanne mit Wasser neben den Baum. Falls der mal Feuer fing. Mein Vati war in der freiwilligen Feuerwehr. Der wusste Bescheid.

Zum Abendbrot gab es Heringssalat, Wiener Würstchen und Lachsschinken. Dazu aßen wir Brötchen, welche im Bratrohr vom Küchenofen warm gemacht wurden.

Dann kam immer die gleiche Prozedur. Ich wurde in der Küche beschäftigt. Vati ging auf den Donnerbalken im Hof (großes Geschäft…kann dauern) und Mutti ging sich umziehen. Nun war im Hof eine Glocke zu hören und eine Stimme rief: „Ho ho, ich bin der Weihnachtsmann.“ Ich öffnete das Fenster, bekam aber den Fensterladen nicht auf. Hinter dem Rollladen hörte ich wieder die Stimme: „Warst du denn brav und kannst du ein Gedicht aufsagen?“

Ich antwortete:
„Natürlich war ich brav, aber ein Gedicht aufsagen, das kann ich nicht. Das macht mein Vati. Der sitzt aber auf dem Klo.“ Die Stimme antwortete: „Dein Vati hat schon ein Gedicht aufgesagt und jetzt bist du dran. Sonst bekommst du keine Geschenke. Aber mit der Rute versohle ich dir den Hintern.“ „Nein“, rief ich und schloss schnell das Fenster. Dann versteckte ich mich hinter der Couch. Die Rute wollte ich nicht zu spüren bekommen.

Als Vati wieder da war, hatte der Weihnachtsmann die Geschenke doch unter den Weihnachtsbaum gelegt. Vati zündete die Kerzen am Baum und am Adventskranz an. Nun wurden die Geschenke verteilt. Im Fernsehen gab es den “Abendgruß vom
Sandmännchen“ und danach sangen sie Weihnachtslieder. Aber da war ich mit den Geschenken beschäftigt.

Auf allen fünf Fernsehsendern, so wir sie empfangen konnten, kam fast das Gleiche.

Am nächsten Tag war großes Familientreffen bei uns. Da kamen meine Brüder mit ihren Familien. Die brachten noch Geschenke mit, die der Weihnachtsmann, aus Versehen, bei ihnen abgegeben hatte. Zu Mittag gab es zwei Erpel mit Rotkohl und Klößen.

Alles frisch von meiner Mutti und meinen Schwägerinnen gekocht. Mein Vati ging mit meinen Brüdern zum Frühschoppen in die Kneipe. Ich durfte fernsehen. So stand ich nicht im Weg rum. Unser Fernsehprogramm war schöner, als das aus dem Westen.

Erst gab es “Zwischen Frühstück und Gänsebraten“ mit Margot Ebert und Heinz Quermann. Danach kamen Märchenfilme und “Zu Besuch im Märchenland“. Eben viel für Kinder. Und abends lustige Filme, unter anderem mit Agnes Kraus.

Manchmal bekamen wir auch ein Westpaket. Von der Schwester meiner Oma. Aus dem Paket roch es immer schön. Da war Fa-Seife, Albrecht-Kaffee, der keinem schmeckte, Schokolade und Kaugummi, Parfüm für Mutti und Oma und Zigaretten für Vati drin. Die Schokolade kam mit auf die bunten Teller. Der Kaugummi war nur für mich.

Am 2. Weihnachtsfeiertag ruhten sich alle vom Weihnachtstrubel aus. Meistens musste Vati am nächsten Tag wieder arbeiten gehen. Ich freute mich, dass ich endlich wieder raus konnte. Es hatte geschneit und kalt war es auch. Worsti kam mit seinem neuen Schlitten zu mir. Er hatte Hasso, seinen Schäferhund, mitgebracht. Der sollte uns mit dem Schlitten ziehen.

Doch Hasso hatte darauf keine Lust. Der wollte lieber mit uns spielen. Da fiel mir etwas ein, was mir meine Brüder mal erzählt hatten, was die gemacht haben, um unseren Schäferhund mit dem Namen Greif zum Schlitten ziehen zu bringen. Das wollte ich jetzt auch machen.

Während Worsti Hasso das Hundegeschirr anlegte, schlich ich mich in die Speisekammer und stibitzte eine kleine Bratwurst. An einem Stück Bindfaden band ich diese an einen Bambusstab, der sonst meine Angel war. Als Hasso die
Wurst sah, war er kaum noch zu halten. Ich schaffte es irgendwie noch auf den Schlitten zu springen. Die Wurst hielt ich kurz vor Hasso’s Schnauze und los ging es. Der Hund jagte, mit uns auf dem Schlitten, der Wurst hinterher. Das lenken ging auch wunderbar. Einfach nur die Wurst in die Richtung halten, in die man fahren wollte. Den Rest machte Hundi.

Nach drei Runden durchs Dorf bekam er seine Belohnung. Eine halbe Bratwurst. Die andere Hälfte aßen Worsti und ich. Dann gingen wir zum Eishockey spielen auf dem Teich. Ich hatte ein Paar große Knobelbecher an. Da taten die Fouls nicht so weh.

Manche hatten statt eines Eishockeyschlägers nur einen krummen Knüppel zum spielen. Und damit hauten die ordentlich zu. Schlittschuhe hatten wir auch nicht an. Oft wurde dort mit dem Schläger reingehakt. Der Aufschlag aufs Eis war dann aus voller Fahrt recht derb. Einen Schiedsrichter hatten wir nicht. Den brauchten wir auch nicht. Böse Fouls wurden in einer großen Rauferei geklärt. So verbrachten wir schöne Weihnachten.

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