Die Abschlußfeier
…mit Zeugnisübergabe fand im LPG-Speisesaal in Stichelsdorf statt. Nach und nach fanden sich alle Schüler mit ihren Eltern dort ein. Pünktlich um 18.00 Uhr eröffnete der Direktor mit einer Rede die Feier. Danach rief er jeden einzeln auf, sagte ein paar Worte zu ihm und überreichte die Zeugnismappe.
Zu mir sagte er: Mit ein bisschen mehr Fleiß hättest du wenigstens mit Sehr Gut abschließen können. Da fiel mir ein Stein vom Herzen. Hätte er den Spruch gesagt, den er meiner Mutter bei einer der letzten Elternversammlungen sagte, hätte ich mich vielleicht ein kleines bisschen geschämt.
Da hatte er gesagt: Ihr Sohn ist hochintelligent. Seine Intelligenz wird aber von seiner
Faulheit noch weit übertroffen.
Nachdem alle ihre Zeugnisse überreicht bekommen hatten, wurde das Buffet
eröffnet. Alle schlugen sich gesittet den Bauch voll. Nun wurde das Tanzbein geschwungen. Hauptsächlich von den Eltern und Lehrern. Wir waren mit unseren Zeugnissen beschäftigt.
Gegen 22.00 Uhr verabschiedeten sich Bobbys Eltern. Die wollten am nächsten Tag früh raus und wegfahren. Meine Eltern fuhren gleich mit. Nun gingen die meisten in die Bar. Dort wurde getrunken, geraucht und geredet.
Pünktlich 1.00 Uhr war die Feier zu Ende. Ich habe zwei Kästen Bier in der Garage stehen, sagte Werni in die Runde. Die meisten winkten müde ab. Ich ging mit ein paar anderen mit zu Werni. Wir machten es uns in der Garage gemütlich.
Beim Bier redeten wir über unsere Zukunft. In der Regel dauerte eine Lehre in der DDR zwei Jahre. Bobby und ich mussten zweieinhalb Jahre für unseren Beruf lernen. Werni sogar drei Jahre. Aber der machte seinen Beruf mit Abitur. So konnte er danach studieren. Und danach hieß es für jeden fast 50 Jahre arbeiten.
Diese Zeit kam uns so unendlich lang vor. In der DDR hieß es, sozialistisch leben, lernen und arbeiten. Aber was kam nach dem Arbeiten? Das Ableben, knurrte Bummi zynisch. Kannst froh sein, wenn du nach der Rente noch fünf bis zehn Jahre hast. Fertig uff de Röhren biste dann sowieso.“ Keiner hatte eine Ahnung, was in den nächsten Jahren auf ihn zukommen sollte.
Wir hatten 1980 und alles ging seinen sozialistischen Gang. Nach der Lehre wurde normalerweise recht schnell geheiratet und Kinder bekommen. Nur so hatte man
ein Anrecht auf eine Wohnung. Einige wollten ein Haus bauen. Alle wollten gutes
Geld verdienen und ein Auto. Doch der Weg dahin war weit.
Gegen 5.00 Uhr verabschiedeten wir uns herzlich und wünschten uns alles Gute.
Mit einigen bin ich zehn Jahre zur Schule gegangen. Das war mehr als die Hälfte meines Lebens. Und nun trennten sich unsere Wege. Das machte nicht nur mich traurig.
Im Zug hingen Bobby, Bommel und ich unseren Gedanken nach. Selbst im Bett fand
ich nicht gleich Schlaf. Ich überlegte: was kommt jetzt wohl auf mich zu?