Wo sind die Beine von Barbie hin?

Laßt mich 9-10 Jahre alt gewesen sein. Da wurde mir ein großer Wunsch erfüllt. Und zwar eine Barbie Ballett Puppe. Mit beweglichen Beinen. Ein Traum… Die hatte Mutti oder Oma aus dem Intershop gekauft. Schon lange wollte ich sowas haben. Die Freude war groß.

Eines Tages veranstaltete unsere Schule eine Schnitzeljagd in der Jeßnitzer Aue (Auwald). Da waren alle mit dabei. Eine Landkarte bzw. Schatzkarte, Anhaltspunkte rausfinden, Rätsel lösen, den Spuren folgen und einfach Spaß haben.

Wir Mädchen hatten beschlossen, dass jeder ein kleines Spielzeug im Rucksack mitbringt. „Dann können wir während des Picknicks ein bisschen spielen. Das war eine tolle Idee und mir fiel auch gleich ein, was ich mitnehme…

Am Abend packte ich mit Mutti den Rucksack leer, damit Platz für die Trinkflasche und die Schnitten ist. Und vielleicht für ein paar Süßigkeiten. Wir kochten Früchte-Pfefferminz-Tee und füllten ihn in die bauchige Plastikflasche.

So, sagte Mutti: „Zeit fürs Bett.“ „Versorge Max noch und dann geh schlafen.“
Gesagt getan, aber vorher noch heimlich die Barbie Ballett Puppe in den Rucksack packen.

Jetzt war Max dran. Wer war Max? Max war ein Kraftpaket von Hamster, was man ihm aber gar nicht ansah. Er war schwarz und zart, aber mit allen Wassern gewaschen. Er fand immer einen Weg, um aus seinem Terrarium zu entkommen. Was wir den schon gesucht haben. Mein Vati arbeitete in den Press- und Stanzwerken in Raguhn.

Er brachte ein Lochblech mit, der als Deckel auf dem Terrarium diente. Was machte Max? Kletterte auf seine Hütte und griff mit seinen kleinen süßen Pfötchen in die Löcher. Er rackerte die ganze Nacht herum, bis er die Platte weggeschoben hatte. Er hangelte sich dann hoch und schwupp…weg war er.

Sogar, als Mutti noch eine Blechdose auf das Blech stellte, plante er die Flucht. Und sie gelang ihm auch. Max saß dann oben auf Muttis Küchenschrank zwischen den gesammelten Westdosen und Kaffeebüchsen und schaute zu uns runter.

Irgendwann sagte Mutti: „Das Terarrium nimmst du mit hoch in dein Zimmer!“ Gesagt, getan. Also er bekam nun sein Futter ich dichtete den Weg in die Freiheit ab und ging schlafen.

Endlich Schnitzeljagt und keine Schule. Es war ein schöner Tag und meine Schulfreundinnen bewunderten meine schöne Barbie.

Nachmittags zu Hause, den Rucksack in die Ecke geschmissen und nochmal raus zum spielen. Nicole die Nachbarstochter hat gerufen und wir wollten noch ein bisschen schaukeln. Heute brauchte ich Max nicht zu füttern. Er hat genug gebunkert und kann von seinen Vorräten zehren.

Am nächsten Tag sollte mein Max ein paar frische Möhrenraspeln bekommen, aber….er war nicht da. Das Blech weggeschoben, weil ich es nicht beschwert hatte und weg war er. Wo soll ich den jetzt suchen?

Ich lag in meinem Bett und plötzlich hörte ich es scharren und rascheln. Wo kam das her? Ist das Max? Natürlich war er es! Ich kletterte aus dem Bett und schlich in die Richtung, wo die Geräusche herkamen. Nämlich aus meinem Rucksack von der Schnitzeljagd. Alles gut, dachte ich. Ich hab ihn wieder.

Vorsichtig klappte ich die Schnalle zurück und schaute in den Rucksack. Da saß er, schaute mich an und seine Backen waren prall gefüllt. Nur womit? Da war nichts zu fressen drin?! Ich nahm den Hamster raus und setzte ihn erstmal wieder in sein zu Hause. Zurück zum Rucksack, denn da lag immer noch meine Ballerina Barbie drin.

Beim Herausnehmen traf mich fast der Schlag! Wo sind die Beine von meiner Barbie? Nur 2 Drahtgestelle zierten meine Tänzerin. Der Rest war verschwunden. Und zwar in Max seinen Backentaschen!

OOOhhhhh mein Gott, meine schöne Puppe. Ich war sooo traurig, dass ich zu weinen begann. Was sage ich jetzt Mutti? Warum ich die Puppe im Rucksack liegen gelassen habe?

Aber was ist mit Max? Wie kriege ich die abgenagten Gummikrümel wieder aus seinem Maul? Ich nahm Max in die Hand und versuchte das Zeug aus seinen Backen zu drücken. Das ließ er sich natürlich nicht gefallen und biß mir in den Finger.

Aufgeregt und weinend rannte ich die Treppen runter und holte meinen Vati. Er versorgte erstmal meine Wunde mit einem Pflaster und betrachtete dann unseren Max. Er meinte: „Wer weiß wieviel er von dem Gummi schon gefressen hat?“ Da können wir nichts machen. Entweder er überlebt das oder er geht daran kaputt.

Letzteres trat dann einige Tage später ein. Es ging ihm nicht gut, er wurde immer schwächer. Bis er letztendlich in meiner Hand starb. Welch ein Unglück! Keine Barbie mehr und auch keinen kleinen Max mehr!

Einschneidende Erlebnisse aus meiner Kindheit. Beste Grüße von Annett

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